Platini in BedrängnisUnsere Freunde aus Katar
30.01.2013 18:26 UhrAuf dem Fußballplatz erreichte der Sportler Michel Platini seine Ziele meist mit beeindruckender Eleganz. Der Mittelfeldspieler war derart veranlagt, dass er – wenn es denn sein musste – den Gegner mitunter ganz alleine, etwa mit einem seiner gefürchteten Freistöße, bezwang. Das Feld der Sportpolitik dagegen ist ungleich komplizierter, vielschichtiger – und auch begrenzter. So soll Platini nach einem Bericht der französischen Fußball-Wochenzeitschrift „France Football“ vom früheren französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy im November 2010 quasi dazu gedrängt worden sein, nicht für die USA, wie er es angeblich vorhatte, sondern für Katar als Ausrichter der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 zu stimmen.
Das Ergebnis ist bekannt: Das Emirat Katar bekam den Zuschlag – unter anderem mit der Stimme von Platini in seiner Funktion als Exekutivmitglied des Fußball- Weltverbandes Fifa. Der Franzose, seit 2007 Präsident des europäischen Fußballverbandes (Uefa), bestreitet die Vorwürfe und droht nun, „vor Gericht gegen jede Person vorzugehen, die meine Integrität bei dieser Abstimmung infrage stellt“, wie er per Pressemitteilung bekannt gab.
Unter dem Titel „Qatargate“ veröffentlichte „France Football“ unter der Woche einen fünfzehn Seiten langen Bericht, der das konkretisierte, wovon ohnehin schon ausgegangen worden war: dass es bei der WM-Vergabe nach Katar nicht mit rechten Dingen zugegangen ist und dass die engen wirtschaftspolitischen Bande zwischen Frankreich und Katar den Sport nicht unberührt lassen.
Am 23. November 2010, so ging es bereits aus früheren französischen Medienberichten hervor, war es zu einem Treffen im Amtssitz des französischen Präsidenten in Paris gekommen. Am Tisch im Élysée-Palast saßen demnach Sarkozy, der katarische Kronprinz Tamim Bin Hamad al-Thani, Sebastian Bazin, Europa-Repräsentant der US-Investmentfirma Colony Capital und damals noch Hauptaktionär des Fußballklubs Paris St. Germain, und eben Platini. Das Treffen soll bis auf Platini für alle zufriedenstellend verlaufen sein: Bazin wurde sein Verlustgeschäft mit PSG los, der Kronprinz aus Katar freute sich über eine weitere Investitionsmöglichkeit und Sarkozy war über die vielversprechende Zukunft seines neureichen Lieblingsklubs PSG schlicht „glücklich“, wie ihn sein Sprecher hernach zitierte. Blieb Platini da nichts anderes übrig, als seine Interessen denen seines Landespräsidenten unterzuordnen? Immerhin schaffte, ganz nebenbei, sein Sohn Laurent kurz darauf im Januar 2011 den Sprung in die Chefetage bei Qatar Sports Investment (QSI), jenem Ableger des Staatsfonds Qatar Investment Authority, der nun Eigentümer von PSG ist.
Der Deal mit PSG, dem Klub, der seit über anderthalb Jahren mit Geld nur so um sich wirft, sei dabei „nur Teil eines größeren Deals“ gewesen. Das erzählt James M. Dorsey, Autor des Blogs „The Turbulent World of Middle East Soccer“ und ein viel beachteter Experte zum Thema Fußball im Nahen Osten. Das Emirat half nicht nur PSG aus der Klemme, sondern sämtlichen Klubs aus der französischen Ligue 1. Diese befürchteten schon drastische Einnahmeverluste bei den TV-Geldern – bis der Nachrichtensender Al-Dschasira aus Katar bekannt gab, Übertragungsrechte zu erwerben. Al-Dschasira, im Besitz des Emirs Hamad bin Chalifa Al Thani, beteiligt sich jährlich mit rund 300 Millionen Euro an den nationalen Live-Rechten.
Längst ist Katar, das kleine Land mit riesigen Öl- und Erdgasvorkommen und gerade einmal 1,7 Millionen Einwohnern, ein Global Player im Sport. „Katars finanzielles Engagement im Sport hat auch eine ganz klare sicherheits- und außenpolitische Dimension“, sagt Dorsey. „Vor drei bis vier Jahrzehnten machten sich Golfstaaten wie Katar Freunde, in dem sie einen großen Batzen Entwicklungshilfe zahlten.“ Heute arbeite man so nicht mehr. „Es geht nun darum, sich über verschiedene gesellschaftliche Ebenen in die internationale Staatengemeinschaft einzubetten. Kulturelle Diplomatie ist wichtig – und der Sport spielt hierbei für Katar eine wichtige Rolle.“
Um den sicherheitspolitischen Aspekt des immensen Sponsorings zu verstehen, genügt ein Blick in den Atlas. Das Emirat am Persischen Golf ist etwa halb so groß wie das Bundesland Hessen. Es ist eingekreist von den Regionalmächten Iran, Irak und Saudi-Arabien. Katar wäre ohne seine Bodenschätze nur ein unbedeutender Fleck. Doch in politisch unruhigen Zeiten in der Region genügt es nicht, sich auf seinem Vermögen auszuruhen. Es muss umgewandelt werden in verlässliche Partnerschaften mit einflussreichen Staaten. So ist es kein Zufall, dass die Tore des schwedischen Stürmers Zlatan Ibrahimovic für Paris St. Germain letztlich mit den Bodenschätzen aus Katar gezahlt werden. Frankreich ist einer der wichtigsten Verbündeten des Emirats. Die Partnerschaft gründet auf den gewaltigen Investitionen Katars im wirtschaftlich angeschlagenen Frankreich. Das Land hält Anteile an französischen Firmen wie etwa dem großen Mischkonzern Lagardère, dem Mineralölunternehmen Total S.A. oder auch der Luxusleder-Marke Louis Vuitton Moët Hennessy. Dabei ist das Verhältnis geprägt von einem gegenseitigen Geben und Nehmen.
Für den finanziellen Einsatz revanchierte sich Frankreich unter Sarkozy mit umfangreichen Steuererleichterungen für die im Land ansässigen Investoren aus Katar.
Frankreich nimmt die finanziellen Hilfen aus Katar nur allzu gerne an. Und das Emirat investiert und investiert, auch wenn die Geschäftsfelder – wie im Falle von PSG oder der Ligue 1 – aus rein ökonomischer Perspektive noch so unattraktiv sind. Doch auf das Geld braucht Katar nicht zu schauen. Das Land möchte mit seinen Investitionen nicht nur Bündnisse schmieden, es will auch sein internationales Ansehen erhöhen – und kaum etwas eignet sich dafür besser als der Fußball.
Der vorläufige Höhepunkt diesbezüglich soll die Austragung der Weltmeisterschaft 2022 werden. Michel Platini dürfte das Turnier dann vielleicht schon als Präsident des Weltverbands Fifa verfolgen.